Interessengemeinschaft Deutsches Krokodil

Trennlinie

     
Trennlinie

Die Baureihe E 93

AEG-Werkfoto

Am Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verfügte die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (DRG) neben einer Vielzahl von Versuchslokomotiven nur über zwei neuere Baureihen elektrischer Lokomotiven für den schweren Güterzugdienst: die E 91 und die E 95. Während erstere mit dem aus der Dampflokkonstruktion bewährten, aber wartungsaufwändigen Stangenantrieb ausgestattet war, hatte die E 95 bereits Einzelachsantrieb mit Tatzlagermotoren erhalten. Beide verfügten über sechs angetriebene Achsen in zwei Gruppen, die E 95 hatte zusätzlich an beiden Enden eine Laufachse erhalten (Achsfolge 1‘Co+Co1‘). Mit einem Dienstgewicht von 123,7 Tonnen (E 91) bzw. 138,5 Tonnen (E 95) waren es regelrechte Dinosaurier der Elloktechnik.

Für die Aufnahme des elektrischen Zugbetriebes auf der Strecke Stuttgart - München mit ihren Steigungsstrecken über die Schwäbische Alb im Jahre 1933 wurden weitere leistungsfähige Elloks benötigt. Da die DRG durch die Folgen des 1. Weltkrieges und der Weltwirtschaftskrise zur Sparsamkeit gezwungen war, kam eine Weiterbeschaffung der teuren Stangenellok E 91 und der aufwändigen Doppel-Lok E 95 nicht in Frage. Die neuen Maschinen sollten preiswert in Beschaffung und Unterhalt sein, daher wandte man sich vom Stangenantrieb ab und verzichtete trotz befürchteter schlechterer Laufeigenschaften auf die Ausführung von Laufachsen. Um das Gewicht in Grenzen zu halten, gab man den Aufbauten eine ähnliche Form, wie sie von den schweizerischen Güterzuglokomotiven der Reihen Be 6/8 und Ce 6/8 ("schweizer Krokdil") her bekannt sind. So bekamen die als E 93 bezeichneten Lokomotiven schnell den Beinamen "Deutsches Krokodil".

Die E 93 sollte Güterzüge bis 1600 t bis Geislingen West und im weiteren Verlauf über die Geislinger Steige zusammen mit einer Schublok bis 1200 t Last befördern können, wobei die Schublok 480 t aufnehmen musste. In der Gegenrichtung sollten auf der Rampe von Ulm nach Beimerstetten 1100 t ohne Schublok befördert werden. Als Höchstgeschwindigkeit waren moderate 65 km/h vorgesehen, die Höchstgeschwindigkeit damaliger Schnellgüterzüge!

Am 14. März 1932 bestellte die DRG bei der Firma AEG in Berlin zwei Prototypen der Reihe E 93, die das geforderte Programm erfüllen konnten. Im Jahr 1933 wurden die E 93 01 und E 93 02 ausgeliefert und einem umfangreichen Testprogramm unterzogen. Stationiert wurden sie im Bw Kornwestheim, wo sie zunächst in den Plänen der E 91 eingesetzt wurden. Anfang 1935 bestellte die DRG zwei weitere E 93, die noch im selben Jahr ausgeliefert wurden. Eine weitere Serie über neun Maschinen wurde im Laufe des Jahre 1937 geliefert. Diese erhielten verstärkte Motoren, so dass die Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h heraufgesetzt werden konnte. Mit dem Bau der E 93 14 bis E 93 18 im Jahr 1939 war die Lieferung der Baureihe E 93 abgeschlossen. Ab 1940 ging die Nachfolgebaureihe E 94 in Serie.

Mit Ausnahme der E 93 08, bei der als erstes Heimat-Betriebswerk das Bw Ulm im Betriebsbuch steht, wurden die Maschinen der ersten drei Bauserien in Kornwestheim in Betrieb genommen. Die letzte Serie wurde dagegen nach Mitteldeutschland geliefert, um auf der neu elektrifizierten Strecke Halle - Köthen - Magdeburg den Bedarf an schweren Güterzuglokomotiven abzudecken. Das Bw Halle bekam die E 93 14, 15 und 18 zugewiesen, E 93 16 und 17 gingen an das Bw Leipzig Wahren. Dort wurden sie jedoch bald von E 44 abgelöst, die für die dortigen Leistungsanforderungen genügten. E 93 14 bis 17 wurden nach Rosenheim umgesetzt, da sie im Voralpenland dringender benötigt wurden. Dort wurden sie schon bald durch die stärkeren E 94 ersetzt. Die E 93 wurden nach Kornwestheim abgegeben. Damit waren von nun an alle E 93 im Bereich der Direktion Stuttgart versammelt. Ab Mai 1942 waren E 93 01 bis 04 im damaligen Bw Geislingen stationiert, um vornehmlich den Schiebedienst an der Geislinger Steige zu übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Bw Kornwestheim 12 Maschinen im Bestand, die beiden restlichen E 93 wurden von Ulm aus eingesetzt. Durch die Stationierung von E 94 in Kornwestheim wurden in den kommenden Jahren mehrere E 93 nach Ulm umgesetzt. Im Verlauf des Krieges wurden mehrere E 93 durch Bombentreffer und Fliegerbeschuss beschädigt. Bis 1947 wurden sie jedoch alle wieder in Betrieb genommen, um danach beim Wiederaufbau mitzuhelfen und das Güteraufkommen des "Wirtschaftswunders" zu bewältigen.

Die fortschreitende Elektrifizierung des Streckennetzes der jungen Deutschen Bundesbahn erweiterte das Einsatzgebiet der Krokodile und verhinderte in späteren Jahren eine frühe Ausmusterung der Vorkriegsmaschinen. Bis 1951 wurde der Ulmer E 93-Bestand vollständig durch E 94 ersetzt. Während die E 93 05 nach Geislingen abgegeben wurde, kamen alle anderen in Kornwestheim unter. Am Einsatz der Maschinen änderte sich dadurch jedoch wenig. Als Ende 1958 die Ellokunterhaltung in Geislingen eingestellt wurde, waren alle E 93 in Kornwestheim beheimatet. Der Schubdienst an der Geislinger Steige war aber weiterhin Aufgabe der E 93. Erst 1982 sollte hier die letzte E 93 abgezogen werden. Mit der Neulieferung der Baureihe E 50 ab 1958 begann der Stern der Baureihe E 93, ab 1968 computergerecht in 193 umbenannt, langsam zu sinken. Zwar gab es immernoch Aufgaben im Nahbereich zu bewältigen, bei den Eisenbahnern "Kirchturmsfahrten" genannt, doch die Langläufe nach München, Mannheim oder Würzburg gehörten bald der Vergangenheit an. Nachdem die Baureihe 193 im Jahr 1976 aus dem Unterhaltungsbestand gestrichen wurde, erfasste eine erste Ausmusterungswelle gleich sieben Maschinen. Unter Ausnutzung der Untersuchungsfristen wurden die letzten 193 aber erst im Juni 1984 ausgemustert. Außer der E 93 07 als offizielle DB-Museumslok sind noch die E 93 08 als Denkmal vor dem Kernkraftwerk Neckarwestheim und die E 93 12 als Exponat des DGEG-Eisenbahnmuseums in Neustadt (Weinstraße) vorhanden. Letztere wurde im Jahr 2007 zum Verkauf ausgeschrieben, da die DGEG den Umfang ihrer Fahrzeugsammlung reduzieren möchte. Eine Privatperson hat die Maschine übernommen und sie im Jahr 2009 nach Ettlingen überführt.

Technische Daten:

Höchstgeschwindigkeit: 65 km/h (ab E 93 05: 70 km/h) Länge über Puffer: 17700 mm
Nennleistung nach VDE: 2502 kW bei 57 km/h Treibraddurchmesser: 1250 mm
Dauerleistung: 2070 kW Stromsystem: 15 kV / 16,7 Hz
Anfahrzugkraft: 360 kN Dauerzugkraft: 149 kN
Achsfolge: Co'Co' Dienstgewicht: 117,6 t
Hersteller: AEG Radsatzlast: 19,5 t
Baujahre: 1933-39 Bremsgewicht P/G 105 t / 38 t

Zu den einzelnen Lebensläufen:

E 93 01 E 93 02 E 93 03 E 93 04 E 93 05 E 93 06
E 93 07 E 93 08 E 93 09 E 93 10 E 93 11 E 93 12
E 93 13 E 93 14 E 93 15 E 93 16 E 93 17 E 93 18

 

Text: Joachim Hund
Zuletzt geändert am 28.09.2012