Interessengemeinschaft Deutsches Krokodil

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Die Elektrolok E 93 07

 

Nachdem man mit den Probelokomotiven E 93 01 und 02 gute Erfahrungen gemacht hatte und noch während die E 93 03 und 04 im Bau waren, bestellte die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (DRG) am 1. Oktober 1935 bei der AEG in Berlin weitere neun Maschinen der Baureihe E 93.

Die E 93 07 wurde innerhalb dieser Bauserie unter der Fabriknummer 4961 gebaut und am 6. März 1937 an die DRG geliefert. Der Preis für die sechsachsige Güterzuglokomotive betrug damals 392336 Reichsmark. Die bahnamtliche Abnahme der Maschine erfolgte am 15. März 1937 nach einer Probefahrt von Kornwestheim nach Ulm und zurück. Ihr erstes Heimat-Betriebswerk war Kornwestheim.

Im April 1937 wurde die nagelneue E 93 07 für Versuchsfahrten auf der Strecke Stuttgart - Ulm eingesetzt, welche die Heraufsetzung der Güterzuggeschwindigkeit von 55 auf 60 km/h zum Ziel hatte. Da bei den Fahrten keine übermäßige Erwärmung von Transformator und Fahrmotoren festgestellt werden konnte, konnte die Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit zugelassen werden. Im Juli 1937 legte die E 93 07 an 28 Einsatztagen 9400 km zurück, ein für damalige Verhältnisse druchschnittlicher Wert. Wie ihre Schwesterlokomotiven, war sie hauptsächlich auf den Strecken Kornwestheim - Ulm und Plochingen - Tübingen im Einsatz. Dabei wurden auch Reisezugleistungen erbracht. Im März 1938 wurde sie nach Ulm umstationiert, was jedoch an ihrem Einsatzgebiet nichts änderte.

Im Februar 1945 war die E 93 07 noch an 27 Tagen im Einsatz gewesen, dann musste sie mit nicht näher bezeichneten Kriegsschäden abgestellt werden. Nach der Reparatur beim damaligen Ausbesserungswerk Esslingen konnte sie bereits am 1. Oktober wieder ihren Dienst beim Bw Ulm antreten.

Mit der fortschreitenden Elektrifizierung der Strecken in Baden-Württemberg erweiterte sich das Einsatzgebiet für die E 93. In den 50er Jahren erreichte der Fahrdraht nach und nach Mühlacker, Bruchsal und Heidelberg. Am 16. Mai 1951 wurde die E 93 07 nach Kornwestheim umstationiert. Dort wurden bis 1958 alle E 93 zusammengefasst.

Als Kornwestheim im Jahr 1962 seine ersten E 50 erhielt, zeichnete sich schon der Niedergang für die Reihe E 93 ab: E 50 übernehmen Planleistungen der E 94, E 94 fahren Leistungen der E 93 und letztere haben das Nachsehen. Die Erhöhung der allgemeinen Güterzuggeschwindigkeit tat ein übriges. Dies wird besonders anschaulich, wenn man einmal die Laufleistungen der E 93 07 betrachtet: Wurden im September 1950 noch 13728 km erreicht, worin auch Durchläufe Kornwestheim - München enthalten waren, so waren es im Juli 1967 nur noch 5938 km.

In den siebziger Jahren wurde die Baureihe 193, wie sie seit der Einführung computergerechter Loknummern im Jahr 1968 hieß, fast ausschließlich noch im Nahgüterverkehr eingesetzt. Wendepunkte waren Ulm, Nördlingen, Würzburg, Horb und Mannheim. Im Herbst 1976 wurde die Baureihe ganz aus dem Unterhaltungsbestand gestrichen. Am 15. Februar 1977 musste die 193 007-2 nach einer Fahrleistung von 3604000 km den Dienst quittieren und wurde von der Ausbesserung zurückgestellt. Zum 30. Juni 1977 erfolgte die Ausmusterung. Nachdem schon mit der Verschrottung begonnen worden war, wurde sie dann doch noch als Museumslok ausersehen und zunächst im AW München-Neuaubing hinterstellt.

Im Herbst 1977 wurde sie im Bw München wieder komplettiert und teilweise neu lackiert. Anschließend wurde nach Luzern geschleppt, um im dortigen Verkehrshaus auf einer Krokodilausstellung zusammen mit schweizer und österreichischen Altbau- Elloks präsentiert zu werden. Später wurde sie noch beim 75-jährigen Jubiläum der Bundesbahnzentralämter in München-Freimann gezeigt.

Nach der Gründung der Interessengemeinschaft E 93 07 wurde die namensgebende Lok wieder lauffähig hergerichtet und im Juli 1985 nach Kornwestheim überführt. Die Interessengemeinschaft hatte nun die Aufgabe, die E 93 bis zum Oktober für die große Fahrzeugschau in Bochum-Dahlhausen zum 150-jährigen Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen.

Die E 93 wurde aber nicht nur optisch mit schwäbischer Gründlichkeit aufgearbeitet, sondern auch technisch wieder auf Vordermann gebracht. Schließlich war das erklärte Ziel, die Lok wieder zum Fahren zu bringen. Die Restaurierung erforderte einige hundert freiwillige Arbeitsstunden seitens der Aktiven. Drehgestelle, Lokkasten und Aufbauten wurden entrostet und neu gestrichen bzw. gespritzt. Es mussten fehlende Schalter, Schilder und Ausrüstungsgegenstände ersetzt werden. Herausgerissene Zugbahnfunkkabel und durchtrennte Motorstromkabel wurden wieder verbunden, defekte Bauteile instandgesetzt und zahlreiche Leitungen neu verlegt. Nach längerer Störungssuche an der Bremsanlage musste man feststellen, dass in München irrtümlich die Leitungen von Führer- und Zusatzbremse vertauscht worden waren. Da die E 93 wieder in den Zustand der frühen sechziger Jahre zurückversetzt werden sollte, wurde das dritte Spitzenlicht vom Vorbau wieder über das mittlere Führerstandsfenster an die Stirnseite des Dachs verlegt. Die passende Beschilderung war in der Kürze der Zeit nicht aufzutreiben und so begnügte man sich zunächst mit einer aufgemalten Beschriftung.

Zwei Tage vor dem ersten der drei Wochenenden, an denen in Nürnberg die großen Fahrzeugparaden abgehalten wurden, kam ein überraschender Anruf, dass die E 93 07 an den Paraden eingesetzt werden sollte. Durch ein administratives Missverständnis stand nämlich keine vorzeigbare 194 zur Verfügung. Da die E 93 aber noch nicht fahrbereit war, wurde sie kurzerhand dem AW München-Freimann zugeführt. Dort wurde ein fehlender Lüftermotor eingebaut, das Trafoöl getauscht sowie die elektrische Ausrüstung und die Bremsanlage durchgeprüft. Mit einer befristeten Betriebszulassung konnte die E 93 07 an den beiden letzten Parade-Wochendenen zur Überraschung der Eisenbahnfreunde einen gemischten Güterzug an den Zuschauertribünen in Nürnberg- Langwasser vorbei ziehen. Am letzten Wochenende wurde sie dabei unterstützt von der mittlerweile aufpolierten 194 579. Damals ahnte allerdings noch niemand, dass diese später Museumslok in Kornwestheim werden würde.

Anschließend ging es in einem der drei langen Lokzüge nach Bochum-Dahlhausen zur großen Jubiläumsschau. Bis zum Ende des Jubiläumsjahres folgten noch einige Ausstellungen und Bahnhofsfeste. Der anfänglichen Euphorie folgte bald die Ernüchterung, nachdem im Februar 1986 der Kostenvoranschlag für die erforderliche Hauptuntersuchung kam. Trotz Abzug aller in Eigenleistung möglichen Arbeiten sollten demnach noch 150 000.- DM aufgebracht werden. Nach Ablauf des Jubiläumsjahres waren auch beim Verkehrsmuseum keine Geldmittel mehr locker zu machen. So musste man sich mit einem rollfähigen Exponat begnügen, das nur auf Ausstellungen präsentiert werden konnte. Nachdem der Interessengemeinschaft ab 1987 mit der E 94 279 eine betriebsfähige Maschine zur Verfügung stand, stand die E 93 07 etwas im Schatten ihrer jüngeren Schwester. Nachdem sie im Zuge der Reaktivierung der Ellokwerkstatt beim Bw Kornwestheim ihren schützenden Schuppenplatz räumen musste, war sie über viele Jahre lang bei der Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen e.V. auf deren Gelände am Kornwestheimer Rangierbahnhof untergebracht. Nachdem hier offenbar dringender Eigenbedarf bestand, wurde die E 93 im Juli 2009 nach Koblenz-Lützel überführt. Die Mitarbeiter des DB Museums spendierten der E 93 07 umgehend die schon lange überfällige Neulackierung und so präsentiert sie sich heute als nicht betriebsfähiges Exponat des Museums in Koblenz-Lützel.

Foto: Dieter Walk

Bei Mainz-Bischofsheim war am 28. Juli 2009 die E 40 128 mit der E 93 07 und zwei Begleitwagen auf der Fahrt von Kornwestheim nach Koblenz-Lützel. Foto: Dieter Walk

 

Text: Joachim Hund
Zuletzt geändert am 28.09.2012