Die Aufarbeitung der E 94 279 in Kornwestheim
Am 5. Mai 1987 erreichte die 194 579 als Wagenlok im Dg 54664 - stilecht gezogen
von 194 195 - ihre neue Heimat. Nach einer ersten öffentlichen Sonderfahrt am 5.
September 1987 im "Betriebszustand" begannen die Aktiven der Interessengem
einschaft im Bw Kornwestheim mit der Aufarbeitung der Lok. Nachdem man die Maschine
eingehend auf ihren Unterhaltungszustand und die auszuführenden Arbeiten untersucht
hatte, begannen im November 1987 die Arbeiten. Zu den angesetzten Arbeitsterminen
fanden sich stets dieselben Aktivisten ein, die auch schon an der Aufarbeitung der
E 93 07 massgeblich beteiligt waren.
So kamen die bei der Restaurierung der E 93 gemachten Erfahrungen der E 94 zugute.
Ziel der Eisenbahner war es, die 194 579 wieder weitgehend in den Ursprungszustand
der fünfziger Jahre als E 94 279 zurückzuversetzen. Dazu wurden mehrere Veränderungen,
die die Lok im Laufe der Jahre über sich ergehen lassen musste, wieder rückgängig
gemacht. Hierbei mussten natürlich einige Kompromisse geschlossen werden, da keine
die Betriebssicherheit betreffenden Bauartänderungen wie Indusi und Zugbahnfunk
rückgängig gemacht werden durften.
Die beiden Vorhauben wurden abgenommen und im damals noch existierenden AW Bad
Cannstatt sandgestrahlt.
Das Ergebnis war allerdings nicht ganz zufriedenstellend
und so ging man mit Drahtbürste und Schabe an die Nacharbeit, um den Schmutz und Rost
von über 30 Betriebsjahren zu entfernen. Gleichzeitig wurden die nun freigelegten
"Innerein" gesäubert. Luftpresser, Luftbehälter, Motorlüfter, Stromschienen,
Richtungs- und Fahrbremswender wurden mit der sprichwörtlichen schwäbischen
Gründlichkeit vom Flugrost befreit und mit neuer Farbe bedacht. Nachdem das Innenleben
der beiden Vorbauten anschließend wie fabrikneu aussah, machte gar ein Mitglied den
Vorschlag, die Lok doch mit Plexiglashauben auszurüsten.
Zur Wiederherstellung des ursprünglichen optischen Eindrucks wurde, wie schon bei
der E 93, das obere Spitzenlicht wieder über dem mittleren Frontfenster eingebaut.
Dazu musste das Kabel der Zugbahnfunkantenne, welches 1977 einfach durch die vorhandene
Öfnnung gezogen worden war, neu verlegt werden.
Die in die Vorbauten eingebauten Lampen
und das separate Schlusslicht, welches extra für den Schubdienst auf der Spessartrampe
Laufach - Heigenbrücken eingebaut worden war, wurden entfernt und die Öffnungen mit
Blechen verschlossen. Statt dessen wurden wieder Aufstecklampen auf den Pufferträgern
angebaut. Dazu mussten allerdings die modernen Verschleisspufferträger erst angepasst
werden, da sie nicht ausreichend Grundfläche für die Lampensockel besaßen. Im Gegensatz
zu den alten Pufferträgern verjüngen sich die mit der Vorbereitung auf die automatische
Kupplung nachgerüsteten Stossbalken zur Lok hin. Da es mit den im Bw Kornwestheim
vorhandenen Mitteln nicht möglich war, hier den Ursprungszustand gänzlich wieder
herzustellen, wurden links und rechts Blechstücke eingepasst und angeschweisst.
Danach konnten die Sockel angeschraubt werden. Zuleitungen und Anschlüsse wurden neu
verlegt. Die Lampen konnten, wie auch viele andere Ersatzteile, damals noch aus
Beständen des AW München-Freimann gewonnen werden.
Nachdem die Vorbauhauben wieder aufgesetzt waren, wurde das Dach in Angriff
genommen. Mehrere Schichten Farbe, Rost und dazwischenliegender Ölschmutz widerstanden
lange der mühsamen Bearbeitung mit Schaber und Drahtbürste. Unter dem vorderen
Stromabnehmer fand sich gar ein in Dreck und Farbe eingebackener Schmiernippel, der
wohl vor einigen Jahren einem Arbeiter heruntergefallen war. Es sollte jedoch der
einzige archäologische Fund bleiben.
Zur gleichen Zeit war ein Teil der Gruppe damit beschäftigt, die Roststellen des
Aufbaus blank zu schleifen und zu grundieren. Vor der endgültigen Lackierung war die
E 94 279 mit unzähligen Grundierungsstellen in mehreren Gelb- bis Orangetönen
übersät.
Die Ende der fünfziger Jahre durchgeführte Reduzierung der Sandkästen konnte nur
beim hinteren Drehgestell rückgängig gemacht werden, da zwischen den ersten beiden
Achsen die Indusi-Magnete angebracht sind. Nachdem die gesamte Lok wieder in neuem
Lack glänzte, wurden die Dachlaufroste mit einer Holzverkleidung versehen und
"alte" Lokschilder aus Rotguss angebracht. Bis zur ersten Probefahrt am
17. März 1988 (Leerfahrt nach Renningen) wurden neben den genannten augenfälligen
Arbeiten noch unzählige Kleinarbeiten geleistet, die hier nicht alle aufgeführt werden
können. So kamen alles in allem etwa 1500 Arbeitsstunden für die Aktiven der
Interessengemeinschaft zusammen.
Mit diesen Stunden schwäbischer Fleissarbeit war und ist es freilich nicht getan.
Nach den Einsätzen der Sommersaison 1988 wurde der folgende Winter für die zunächst
zurückgestellten Arbeiten an den Führerständen und im Maschinenraum genutzt.
Völlig neu gelöst wurde die Unterbringung der Zugbahnfunkgeräte, die seit ihrem
Einbau im Jahr 1977 eher provisorisch auf einem Blechrahmen standen. Sie wurden nun
in den neu angefertigten Pult integriert. Neben der gefälligeren Optik enstand
dadurch auch mehr Ablagefläche. Ansonsten wurde natürlich alles im historischen
Zustand restauriert, wie es sich gehört.
Text: Joachim Hund
Zuletzt geändert am 29.09.2012